Übergewichtige Patienten stellen den Anästhesisten während einer Narkose und bei Behandlungen auf der Intensivstation vor besondere Herausforderungen. Über dieses Phänomen diskutierten Narkoseärzte, Intensivmediziner, Notfallmediziner und andere Interessierte neben einer Vielzahl anderer Themen auf dem Deutschen Anästhesie Congress (DAC) vom 25. bis zum 27. April 2018 in Nürnberg. „Wir müssen damit rechnen, dass wir in den nächsten Jahren deutlich mehr übergewichtige Patienten in den Krankenhäusern zu Operationen und auf den Intensivstationen haben werden“, beschreibt Prof. Dr. med. Martin Welte, Kongresspräsident des DAC in diesem Jahr, die Entwicklung.
Welcher zusätzliche Aufwand und welche Schwierigkeiten sich durch das Übergewicht bei der Behandlung eines Patienten ergeben, hänge dabei von der Ausprägung des Übergewichtes, der Adipositas, ab. Prof. Welte erklärt: Bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 bis 35 bestehe kein erhöhtes Risiko für eine Narkose. Ab einem BMI von 40 müsse aber schon vermehrt mit Komplikationen gerechnet werden. Prof. Welte nennt hier vor allem Herausforderungen bei der Beatmung in der Narkose und beim Aufwachen nach der Operation, wenn die Patienten noch nicht wach genug und die Narkosemedikamente noch nicht abgebaut sind und eine verstärkte Überwachung der Atmung notwendig wird. Außerdem erfordern übergewichtige Patienten auch stabilere Operationstische und mehr Personal, um die Operierten und Erkrankten anheben zu können: „Dies ist auch ein logistisches Problem“.
Bedeutende Schnittstelle zwischen Forschung und Klinik
„Wissen leben“ - mit diesem Motto war der DAC 2018 überschrieben: „Wir müssen etwas wissen, und dies dann sinnvoll in der Praxis leben, das heißt umsetzen“, erklärt Prof. Dr. med. Bernhard Zwissler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) den Leitsatz. Der Kongress in Nürnberg sei sehr bedeutsam als Schnittstelle zwischen Forschung und Klinik, um neues, theoretisches Wissen in die Praxis zu übertragen und den Patienten zugutekommen zu lassen. Hier geht es um alle vier Teilbereiche der Anästhesie gleichermaßen: Um Narkosen, Intensivmedizin, Notfallmedizin und die Schmerztherapie mit der Palliativmedizin als benachbartes Fach. Dabei präsentierte sich der Anästhesiekongress 2018 in einem neuen Gewand: Ärzte, Pflegekräfte und andere Besucher sollen sich auf der Tagung noch besser zurechtfinden und die Vorträge noch stärker für ihre praktische Arbeit verwenden können.
Verwirrtheit nach Narkose als Herausforderung und Gefahr
Im Bereich der Intensivmedizin ist für die Anästhesisten die Vermeidung von Durchgangssyndromen, von Delir, inzwischen eine große Aufgabe. Auch darüber wurde auf dem DAC in Nürnberg beraten. Es handelt sich dabei um einen vorübergehenden Verwirrtheitszustand zum Beispiel nach einer Hüft- oder einer Herzoperation: Die Patienten sind sehr unruhig, können von Schwestern und Ärzten auf der Intensivstation kaum geführt werden, erkennen ihre Umgebung und ihre Angehörigen tagelang nicht mehr und laufen auch Gefahr, sich selbst zu gefährden. Prof. Welte sagt, dass auch diese Fälle im Zuge des demographischen Wandels in Zukunft zahlreicher werden: Es gelte, gefährdete Patienten schon frühzeitig zu erkennen und, dass Pflegepersonal und Ärzte bei der Versorgung der Menschen nach abgestimmten Konzepten Hand in Hand arbeiten.
„Cannabinoide als neue Schmerzwunderdroge?“
Auf dem Kongress ebenfalls auf großes Interesse stieß ein Bericht über Erfahrungen bei der medizinischen Anwendung von Cannabis: „Können Cannabinoide als neue ,Schmerzwunderdroge‘ bezeichnet werden?“, lautete die Frage. Seit mehr als einem Jahr können Schwerkranke in Deutschland Cannabis auf Rezept bekommen. Unter den Schmerztherapeuten wurde außerdem diskutiert, ob der aus den USA bekannte Missbrauch starker Schmerzmittel, der Opioide, auch hierzulande zu einem größeren Problem werden könnte?
Telemedizin bringt Notarzt-Wissen überall hin
Einen weiteren Schwerpunkt stellte auf dem DAC die Notfallmedizin dar. Die Notärzte, die mit dem Notarztwagen oder dem Rettungshubschrauber zu Notfällen und Unfällen gerufen werden, sind in Deutschland in den meisten Fällen Anästhesisten. Ihre Arbeit wird in den kommenden Jahren zunehmend durch Telemedizin unterstützt: „Darauf können wir nicht verzichten“, macht Kongresspräsident Welte deutlich. Angesichts von Fachkräftemangel - auch im Rettungsdienst - und dem Auftrag, eine wohnortnahe Notfallversorgung zu gewährleisten, sei die Telemedizin zunehmend bedeutsam: Rettungsdienstkräfte können sich im Einsatz per Mobiltelefon und Datenübertragung an einen Notarzt in einer Zentrale wenden, der sie dann unterstützt, bis der mobile Notarzt helfen kann. Solche Systeme stehen inzwischen unter anderem in der Region Aachen und im Landkreis Vorpommern-Greifswald zur Verfügung.
Und so bildete der Deutsche Anästhesie Congress wieder das gesamte breite Spektrum der Anästhesie mit ihren Teilbereichen ab. Weit über 200 Veranstaltungen standen an den drei Tagen auf dem Programm: Vorträge, Präsentationen und Workshops. Auf einem Pflegekongress wurden Vorträge speziell für Schwestern und Pfleger aus Anästhesie und Intensivmedizin angeboten. Erstmals hatten die Besucher zudem durch die neuen Programminstrumente „Themennavigator“ und „Themenpfad“ die Möglichkeit, eine Auswahl an Veranstaltungen nach persönlichen Interessen zusammenzustellen und nichts zu verpassen.
Für weitere Informationen: - "DAC 2018">http://dac2018.de/
Pressemitteilung der DGAI
April/Mai 2018