Die Neuregelung der Kompetenzen von Notfallsanitätern sorgt für Erleichterung: Der Bundestag hat vor wenige Tagen beschlossen, dass die Notfallsanitäter in bestimmten Einsatzsituationen bald auch begrenzt heilkundliche Maßnahmen ausführen dürfen. Prof. Dr. Jan-Thorsten Gräsner, Sprecher des „Arbeitskreises Notfallmedizin“ der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und Direktor des „Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin“ am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, spricht von „klareren Regeln“, nach denen nun alle Beteiligten ihr Handeln ausrichten könnten. Die DGAI vertritt in Deutschland weit über 10.000 Notärzte.
Vor allem wegen der wachsenden Zahl an Einsätzen in vielen Regionen ist das neuartige Berufsbild „Notfallsanitäter“ entstanden. Jahrelang war gerungen worden, welche Maßnahmen Notfallsanitäter bei Akut-Erkrankten und Schwerverletzten in Eigenregie ausführen dürfen. In ihrer Ausbildung werden sie zum Beispiel theoretisch mit der Gabe schmerzstillender Medikamente oder mit der Verabreichung von Elektroschocks bei Herzrasen vertraut gemacht. Ihre Kenntnisse müssen sie zum Ende der Ausbildung vor einer staatlichen Prüfungskommission unter Beweis stellen.
„Jetzt haben wir eine Bestätigung, dass die Notfallsanitäter bestimmte Kompetenzen haben und einen Gesetzestext, der die Anwendung dieser Fähigkeiten eindeutiger regelt als bisher“, sagt Professor Gräsner. Gleichzeitig nimmt der erfahrene Notfallmediziner die Beteiligten aber zu mehreren Punkten in die Pflicht.
Stichwort „Ausbildung der Notfallsanitäter“: Hier sieht Gräsner Nachbesserungsbedarf, um die Notfallsanitäter auf die wachsende Verantwortung besser vorzubereiten. Er appelliert an die Notfallsanitäter, die Aus- und Fortbildung „sehr ernst“ zu nehmen und „möglichst viel Wissen und Training zu sammeln“, um für die Arbeit draußen fit zu sein. Anzustreben sei auch ein bundeseinheitliches Kompendium mit den Vorgaben zur Reaktion bei Unfällen und Notfällen.
Ein weiterer Punkt: Die Ausbildung der Notfallsanitäter in den Kliniken: „Für die ausbildenden Kliniken ist die Schulung der angehenden Notfallsanitäter eine zusätzliche Beanspruchung“, erläutert Professor Gräsner: „Hier muss, klar und realistisch, gemeinsam mit Kliniken, Rettungsdienstschulen und den Rettungsdiensten definiert werden, was an Kompetenzen vermittelt werden kann und was nicht. Wunschvorstellungen helfen hier nicht weiter, wenn in Wirklichkeit kein Kompetenzerwerb möglich ist!“
Und schließlich das „Sich-fit-halten“, die ständige Auseinandersetzung mit Medikamenten, Krankheitsbildern, Abläufe und Techniken: Hier sieht Gräsner eine „Hol-Schuld“ der Notfallsanitäter: „Lernen im Einsatz ist die schlechteste Lösung.“ Er fordert, neue Leitlinien für die Fortbildung: „Für die 30 Stunden Pflichtfortbildungen pro Jahr keine inhaltlichen Vorgaben zu haben, ist nicht nachvollziehbar“. Noch weniger sei zu akzeptieren, dass vorgeschriebene Fortbildungen ausgesetzt werden: Hier hätten die Arbeitgeber eine „Bring-Schuld“!
DGAI-Notfallmedizin-Experte Gräsner macht deutlich: „Notfallsanitäter sind Teil des professionellen Rettungsdienstes, der gemeinsam mit Notärzten die Versorgung der lebensbedrohlich erkrankten oder verletzten Patienten verantwortet! Sie haben jetzt die Erlaubnis, in engen Grenzen heilkundliche Maßnahmen umzusetzen, bis ein Notarzt zur Verfügung steht.“ Gräsner wünscht sich sowohl von den Notärzten, als auch von den Notfallsanitätern, die neuen Rahmenbedingungen verständnisvoll und verantwortungsbewusst anzuwenden: „Die Notfallsanitäter müssen sich ihrer neuen Verantwortungen bewusst sein! Und ihre Arbeitgeber müssen sie dabei unterstützen! Sie müssen Leistung zeigen, aber auch bei Defiziten die Konsequenzen tragen. Schließlich geht es um Menschenleben!“ Auch müsse man betrachten und auswerten, wie gut Patienten durch Notfallsanitäter versorgt werden. Diese Auswertungen existierten bisher meist nur für die Einsätze von Notärzten.
Pressemitteilung BDA/DGAI
Februar 2021