Kopfschmerzen
Kopfschmerzen sind nicht gleich Kopfschmerzen. Unterschieden werden neben Migräne, Spannungskopfschmerzen und Cluster-Kopfschmerzen viele weitere Varianten. Hierzu gehören unter anderem Kopfschmerzen in Folge einer regelmäßigen Einnahme von Schmerzmitteln, die sogenannten Medikamenten-Kopfschmerzen.
In Deutschland leiden schätzungsweise zwei von drei Erwachsenen zumindest zeitweise unter Kopfschmerzen. Sie verteilen sich auf die verschiedenen Kopfschmerzarten wie folgt:
- Fast 18 Millionen Erwachsene leiden unter Migräne, Frauen häufiger als Männer
- 25 Millionen Erwachsene haben öfter Spannungskopfschmerzen
- knapp vier Millionen Erwachsene weisen andere Formen von Kopfschmerzen auf, wie z.B. Cluster-Kopfschmerzen oder Medikamenten-Kopfschmerzen
Kopfschmerzen mindern die Lebensqualität der Betroffenen erheblich. Sie fallen nicht nur im Berufsleben immer wieder aus, auch im Privatleben müssen sie häufig kürzertreten. Gleichzeitig sehen sich mit dem Vorurteil konfrontiert, dass sie sich „mal wieder eine Auszeit gönnen“. Solche Unterstellungen erhöhen bei den Betroffenen den psychischen Druck, verursachen Stress und verstärken so die Beschwerden. Aber auch die Angst, die in Worten wie „hoffentlich bekomme ich dann keine Kopfschmerzen“ zum Ausdruck kommt, erhöht die Chancen, dass es genau dann leider wieder so weit ist. Dieses als selbsterfüllende Prophezeiung bekannte Phänomen zeigt, dass das Denken großen Einfluss auf körperliche Vorgänge hat.
Migräne
Bei der Migräne handelt es sich um pulsierende „Halbseiten-Kopfschmerzen“ im Bereich der Schläfe, der Stirn und des Auges. Die Anfälle können zwischen 4 bis 72 Stunden andauern und kehren in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen wieder. Oft sind sie von Licht- und Geräuschempfindlichkeit sowie Übelkeit und Erbrechen begleitet. Vor einem Anfall fühlen sich viele Migräne-Patienten müde und erschöpft. Auch Lichtempfindlichkeit und Geräuschempfindlichkeit können sich bereits vor den ersten Kopfschmerzen einstellen. Bei etwa 15 bis 20% der Betroffenen kündigt sich eine Migräneattacke mit Wahrnehmungsstörungen an, der sogenannten Aura. Die Betroffenen sehen dann beispielsweise Blitze oder dunkle Flecken. Eine Aura dauert in der Regel nicht länger als eine Stunde.
Entzündungsreaktion im Gehirn führt zu Schmerzen
Im Gehirn werden im Verlauf einer Migräneattacke vermehrt Boten- und Entzündungsstoffe freigesetzt, was eine Entzündung nach sich zieht. Die Gefäßwände quellen durch die Entzündung auf, weswegen die Durchblutung des Gehirns vorübergehend abnimmt, was wiederum eine Erklärung für die beschriebenen Wahrnehmungsstörungen (Auren) ist. Gefäßerweiternd wirkende Impulse sorgen dann für eine Wiederherstellung der Durchblutung, die noch schmerzfreie Aura-Phase lässt nach. Der Migräneschmerz wird in der Folge durch die geschädigte Gefäßwand, kombiniert mit einer gestörten Schmerzhemmung, bedingt. So wird vom Migräne-Patienten jeder Pulsschlag als starker Schmerz wahrgenommen. Im Anschluss an einen Migräneanfall leiden die Betroffenen häufig unter Erschöpfung mit Sehstörungen. Auch die Lichtempfindlichkeit klingt vielfach erst nach der Schmerzphase ab.
Mögliche Migräne-Auslöser
Mögliche Auslöser für einen Schmerzanfall sind bei Migräne-Patienten neben Stress, Alkoholgenuss, Änderungen des Schlaf-Wach-Rhythmus oder Wetterwechsel. Ebenfalls können der Verzicht auf Koffein oder eine Unverträglichkeitsreaktion nach Konsum bestimmter, z.B. histaminhaltiger Lebensmittel (Hartkäsesorten, Rotwein, Sauerkraut, Salami, tlw. Fisch) Migräneanfälle verursachen. Bei Migräne-Patientinnen kann zudem der Abfall des Hormonspiegels am Ende des Zyklus einen Anfall fördern. Dann treten die Attacken vornehmlich zu Beginn der Menstruationsblutung auf.
Akut-Therapie einer Migräne-Attacke
Die medikamentöse Therapie erfolgt bei leichten Attacken mit Schmerzmitteln wie Acetylsalicylsäure oder nichtsteroidalen Antirheumatika, bei schweren Anfällen mit Triptanen. Die Betroffenen schützen sich normalerweise zusätzlich vor Reizen, indem sie einen abgedunkelten, ruhigen Raum aufsuchen. Manche Betroffenen empfinden außerdem lokale Eisanwendungen und Schlaf als lindernd. Einigen Patienten hilft auch Wärme.
Langzeit-Therapie und Vorbeugung für Migräne-Patienten
Zur Vorbeugung eignen sich Entspannungsverfahren, Verhaltenstherapie, Ausdauersport, Akupunktur und einige Medikamente, die ursprünglich für die Behandlung anderer Erkrankungen entwickelt wurden. Wissenschaftlich gut untersucht und bewährt haben sich Betablocker (z.B. Bisoprolol, Metoprolol, Propanolol), Calciumantagonisten (z.B. Flunarizin), und Antiepileptika (z.B. Topiramat, Valproinsäure) und das Antidepressivum Amitryptilin, die bei regelmäßiger Einnahme die Häufigkeit der Attacken und ihre Intensität mindern können. Weniger eindeutig ist die Studienlage bisher bezüglich der des Antidepressivumsa Amitriptylin und Venlafaxin, oder des Antieplipetikums Gabapentin, der ACE-Hemmer (z. B. Lisinopril) oder Sartane (z. B. Candesartan) sowie von Magnesium-, Coenzym Q10- oder Vitamin-B12-Gaben. Zur Therapie der chronischen Migräne mit oder ohne Übergebrauch von Schmerz- und Migränemitteln kann auch das Botulinumtoxin „Onabotolinumtoxin A“ zum Einsatz kommen. Als pflanzliches Mittel empfiehlt die Deutsche Migräneliga Pestwurz zur Vorbeugung. Allerdings müssen diese Medikamente etwa zwei Monate eingenommen werden, bis sich eine Veränderung abzeichnet. In der Regel wird ihre Dosierung langsam gesteigert, um das Risiko für Nebenwirkungen zu senken. Bleiben diese Maßnahmen erfolglos, kann auch Onabotulinumtoxin A zur Vorbeugung der chronischen Migräne zum Einsatz kommen.
Zudem kann eine Ernährungsumstellung versucht werden. So sollten die Betroffenen Kaffee nicht meiden, sondern regelmäßig trinken. Verzichten Patienten mit Histaminunverträglichkeit auf Nahrungsmittel, die histaminhaltig sind oder die Histamin-Ausschüttung anregen, leiden sie seltener unter Migräneattacken.
Im Alltag sollten die Betroffenen regelmäßige Schlaf- und Wachrhythmen, Tagesabläufe und Essenszeiten einhalten. Stress ist eine der möglichen Ursachen der Migräne und sollte vermieden werden. Daher müssen die Betroffenen lernen sich zu schützen, Pausen in ihren Alltag einzuplanen und auch einmal „Nein!“ sagen. Ein Stressbewältigungstraining kann die Betroffenen unterstützen. Unter den Entspannungsverfahren hat sich die „Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson“ bei Migräne bewährt. Eine Bewegungstherapie oder regelmäßiger Sport entlastet das Gehirn zusätzlich.
Spannungskopfschmerzen
Bei Spannungskopfschmerzen handelt es sich um dumpfe, drückende sowie beidseitig auftretende Kopfschmerzen, die im ganzen Kopf, im Bereich von Scheitel, Schläfen oder Hinterkopf austreten. Außer, dass die Betroffenen das Gefühl haben, nicht klar denken zu können, werden Spannungskopfschmerzen in der Regel nicht von weiteren Symptomen begleitet. Die normalerweise leichten bis mittelschweren Schmerzen dauern Stunden bis einen Tag.
Episodischer oder chronischer Spannungskopfschmerz
Spannungskopfschmerzen treten entweder gelegentlich an maximal 15 Tagen im Monat und maximal 180 Tagen im Jahr auf (episodischer Spannungskopfschmerz) oder sie sind chronisch (chronischer Spannungskopfschmerz). Dann leiden die Betroffenen öfter als 15 Tage im Monat bzw. 180 Tage im Jahr unter Kopfschmerzen, die unbehandelt auch tagelang anhalten.
Auslöser von Spannungskopfschmerzen sind neben Fieber und Infekten, Stress und Wetterwechsel. Allerdings können sie auch unabhängig von einem Auslöser auftreten.
Therapie und Vorbeugung von Spannungskopfschmerzen
Die Behandlung akuter Spannungskopfschmerzen kann mit Eispackungen oder Einreibungen mit Pfefferminzöl sowie Medikamenten erfolgen. Einigen Patienten helfen auch Wärme und Massagen. Treten Spannungskopfschmerzen chronisch auf, gehören Entspannungsverfahren, ein Stressbewältigungstraining, die kognitive Verhaltenstherapie, Ausdauersport, Akupunktur und die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) zu den möglichen Behandlungsmethoden. Vorbeugend werden zudem Antidepressiva wie Amitriptylin verordnet.
Cluster-Kopfschmerzen
Cluster-Kopfschmerzen betreffen vornehmlich Männer im Alter von durchschnittlich 20 bis 40 Jahren. Die heftigen, einseitigen Kopfschmerzattacken treten vornehmlich nachts gehäuft im Frühjahr und im Herbst in der Augenhöhle bzw. dahinter auf. Sie können sich bis in die Schläfe ausbreiten und dauern in der Regel 15 Minuten bis 3 Stunden.
Mögliche Auslöser sind Histamin, Glutamat, Alkohol, Käse, Nitrit und das Herzmedikament Nitroglycerin. Auch Gerüche oder Schlafen am Tag stehen bei manchen Betroffenen mit den Attacken in Zusammenhang. Eine Ernährungsumstellung und Änderung der Lebensweise kann daher die Häufigkeit der Anfälle reduzieren.
Episodischer oder chronischer Cluster-Kopfschmerz
Bei etwa vier von fünf Betroffenen verläuft die Erkrankung episodisch mit schmerzfreien Phasen. Bei episodischen Cluster-Kopfschmerzen können bis zu acht Anfälle pro Tag auftreten. Bestehen Clusterkopfschmerzen länger als ein Jahr ohne zwischenzeitliche Besserung oder nur mit Besserungsphasen, die kürzer sind als ein Monat, dann spricht man von chronischen Cluster-Kopfschmerzen. Betroffen sind etwa 13% der Patienten. Ein Teil der Patienten leidet unter einer kombinierten Form.
Therapie und Vorbeugung von Cluster-Kopfschmerzen
Wenn möglich gilt es, mögliche Auslöser einer Cluster-Kopfschmerz-Attacke zu meiden. Herkömmliche Schmerzmittel sind bei Cluster-Kopfschmerzen nicht effektiv. Die Betroffenen können zur Behandlung ihrer Schmerzen medizinischen Sauerstoff inhalieren oder Triptane als Nasenspray anwenden. Darüber hinaus können Triptane unter die Haut gespritzt werden. Zur Vorbeugung werden Glucocorticoide über einen Zeitraum von 2 bis 5 Tagen als Stoßtherapie verabreicht und dann ausgeschlichen. Parallel beginnt eine Dauertherapie mit einem Calciumantagonisten wie z.B. Verapamil.
Medikamenten-Kopfschmerzen
Die meist dumpfen, bohrenden oder drückenden Medikamenten-Kopfschmerzen sind mittelstarke bis starke Dauerkopfschmerzen, die beidseitig im gesamten Kopf vorkommen. Allerdings ähnelt die Charakteristik oftmals den Kopfschmerzen, die ursprünglich zur Einnahme von Schmerzmitteln führten. Migräne-Patienten klagen deshalb unter Umständen darüber, dass Migräne-Attacken immer häufiger auftreten, mindestens jedoch an 15 Tagen im Monat.
Nehmen Patienten aufgrund von Kopfschmerzen Kombinationen von Schmerzmitteln, Triptane, Mutterkornalkaloide oder Opioide im Wechsel an insgesamt mehr als 10 Tagen pro Monat ein, kann es sich ebenfalls um einen Medikamentenkopfschmerz handeln. Darüber hinaus kann ein Übergebrauch von Akut-Schmerzmitteln über einen Zeitraum von drei Monaten darauf hinweisen. Medikamenten-Kopfschmerzen können von Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit sowie einem Bedürfnis nach Ruhe begleitet sein.
Teufelskreis durch zu hohen Schmerzmittelkonsum
Der Medikamenten-Kopfschmerz ist die Folge eines Teufelskreises, in den insbesondere Migräne- und Spannungskopfschmerz-Patienten geraten können. Als Folge der regelmäßigen Einnahme von Schmerzmitteln – insbesondere von Kombinationsanalgetika, Mutterkornalkaloiden, Triptanen, Opioiden oder Barbituraten – sinkt bei den Betroffenen die Schmerzschwelle, die Schmerzwahrnehmung nimmt zu. Dadurch nehmen sie immer früher Schmerzmittel. Das Absetzen von Schmerzmitteln kann zu einer Schmerzverstärkung führen und auf diese Weise eine vermehrte Einnahme entsprechender Arzneimittel nach sich ziehen.
Stress, Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen und eine psychische Erkrankung können das Risiko für einen Übergebrauch an Medikamenten begünstigen. Zudem sind Frauen hierfür anfälliger.
Therapie und Vorbeugung von Medikamenten-Kopfschmerzen
Um den Teufelskreis zu durchbrechen, müssen die Betroffenen auf die Einnahme von Schmerzmitteln komplett verzichten. Eine begleitende medikamentöse prophylaktische Therapie kann im Einzelfall sinnvoll sein. Unterstützend haben sich ein Stressbewältigungstraining und Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelentspannung bewährt. Der Medikamentenentzug kann in einer Tagesklinik, vollstationär oder bei hoher Motivation und guter sozialer Einbindung in unkomplizierten Fällen ambulant erfolgen. Bei einer ambulanten Behandlung wird der Patient i.d.R. intensiv von seinem behandelnden Schmerzmediziner und einem Psychotherapeuten betreut. Üblicherweise wird auch der Lebenspartner mit einbezogen. In der akuten Entzugsphase kann unterstützend ein Antidepressivum verabreicht werden. Durch eine regelmäßige Nachbetreuung kann das Rückfallrisiko bei Bedarf gesenkt werden.
Quellen:
S1-Leitlinie "Migräne"
S1-Leitlinie "Chronischer Kopfschmerz"
S1-Leitlinie "Clusterkopfschmerz"
S1-Leitlinie: Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln
Dorothea von der Laage, Silvia Starke: Patientenatlas „Schmerz“, 2012
www.migraeneliga.de